Freundschaftswoche D / F / US

(Foto: Panzermuseum Munster)

” Im Bündnis wirken Streitkräfte unterschiedlicher Nationalität, Sprache und Mentalität zusammen …. Die Wirksamkeit gemeinsamen Kampfes hängt vom Grad der Zusammenarbeit und der Fähigkeit ab, sich auf die Eigenarten der Verbündeten einzustellen.”

( HDv 100/100, “Führung im Gefecht” )

Freundschaftswoche im Bündnis – 1961

Erste Klopfkontakte, Kordiale, in gemeinsamer Garnison. Ernste Belehrungen, Ermahnungen, – stramme Vergatterung aller Beteiligten! “Vin d’honneur” bei den Franzosen, “Barbecue” bei den Amerikanern. Dann haben die Deutschen Kommandeure bescheiden zu einem “Schwäbischen Vesper” gebeten …

Der amerikanische Colonel Freshman berichtet in durchaus verständlichem Englisch von der Offizierhochschule Westpoint, Oberstleutnant Sturmböck, Kommandeur des Panzerbataillons, von der Führungsakademie. Der französische Regimentskommandeur , un homme de guerre et de visage plissée, weiß Wunderliches aus Indochina, der “Legion” und seinen “deutschen Jungs” zu erzählen. Er hat vom “Régiment Étranger de Parachutistes” eine Handvoll Offiziere mitgebracht.

Und Szoulce, der Fallschirmjägerkommandeur, baut gerade die Front von Cassino auf – mit Bierkrug, Filz und Fantasie: “… und hier in dieser Höhle gegenüber dem Excelsior” – er kippt den leeren Bierkrug um, schüttet die Zahnstocher weg (ihre Anwesenheit hat ihn schon die ganze Zeit als unangemessen rustikal beleidigt) – “… und in dieser Höhle da konnten sich über hundert von uns beim Bombenhagel in Sicherheit bringen…”

“Bombenhagel”, klagt Hugo Kavenzmann, katholischer Standortpfarrer, “Bombenhagel. Und Papst Innocenz II. hat auf dem Conzil von 1319 sogar den Gebrauch der Armbrust “adversus Christianos et Catholicos” gegen praktizierende Katholiken, ausdrücklich verboten.

Da werden die Saaltüren weit geöffnet. Regierungsoberinspektor Wammerl will endlich den Spielmannszug der Fallschirmjäger vorführen. Er hat ihn persönlich dressiert. Feldwebel Plempe, der Spielmannszugführer, reißt sich zusammen. Eine stattliche Erscheinung. Noch nicht so gewichtig wie der Oberinspektor, der ja im Infanterieregiment 13 zu Ludwigsburg schon als Oberschütze Unteroffizieranwärter war.

“Das Spiel . . . über!” Die Rechte schnellt nach oben. Plempe, der Feldwebel, ist hier zu exzellenten Leistungen verpflichtet, ” … denn von einem preußischen Tambour” so hat ihn Oberstleutnant Szoulce belehrt “.. wurde erwartet, daß er in der Lage war, seinen Taktstock beim Durchmarsch durch das Brandenburger Tor mit solcher Kraft über das Tor zu werfen, daß Zeit blieb, sich Obst zu kaufen, bevor er den Stock auf der anderen Seite wieder auffing!” – Steil sticht der Tambour den Stab in die Luft. Eine große Bewegung. Die Spielleute reißen Hörner und Querpfeiffen hoch, versorgen den Blasebalg mit einer “Kampfbeladung” Luft. Die Trommelschlegel sind auf das Kalbfell gedrückt, zum Wirbeln bereit …

Mit dem ganzen Schmettern und Drummen, dem Rasseln und Gellen oberschwäbischer Heimatfeste und mit Johann Gottfried Piefke melden sie sich zur Stelle. “Piefke”, erklärt Szoulce seinem Franzosen, “Piefke hat 1864 zum Sturm auf die Düppeler Schanzen den York’schen Marsch von Beethoven mit blankem Stahl dirigiert …”

“Das ist der alte Heldentritt
Das ist der Schwaben Schlachtenschritt
Vor dem der Boden zittert
Und weit die Luft gewittert”


… weiß Hugo Kavenzmann, der Standortpfarrer, die Szene zu deuten.

Jetzt kann der französische Frontsoldat, le vieux soudard (der alte Haudegen), seine Abneigung gegen die graue Gelehrsamkeit des Westpointers nicht länger unterdrücken. Er führt sein Offizierskorps zur Attacke französischer Kürassierregimenter in der Schlacht von Wörth, am 6. August 1870 ….

Auf sein Kavalleriekommando “Cavalerie en selle !” drehen sie die Stühle um, nehmen rittlings Platz und traben locker an. Am Saaleingang formieren sie sich, fallen aus dem Stand in Galopp. Helles, freudiges Wiehern, kühnes Schnauben, Staccatostampfen … ein würdiges Schauspiel. Mit dem ganzen Ungestüm der schweren Schlachtenkavallerie springen sie – Kommandeur an der Tête – heran …

Die Klinge blinkt in der Schwertrechten den erstaunten amerikanisch-deutschen Kameraden drohend entgegen gereckt.

“Der Säbel der Kavallerie ist zu breit und gekrümmt, die meisten Hiebe kommen flach.”

Friedrich Engels, militärische Schriften – 1855

Anders hier: das fiskalische Tischmesser der Bundeswehr, soeben noch beim Vesper nützlich, hat nur matten Glanz. “Kein gutes Omen”, ruft Hugo Kavenzmann, “kein gutes Omen … Senfhauch…!”

Vor dem Festkapitel werden sie zusammenkartätscht. Der Kommandeur hat dazu zwei Kameraden, von schlichten Linienregimentern zuversetzte, nicht pferdeberechtigte, hinter den Säulen ….bum-bum … als Feind eingesetzt. Einzeln und paarweise sinkt die Kavallerie aus dem Sattel und dahin. Selten vermag die Zügelfaust noch das Ross durchzuparieren – es knirschen Zügel und Zaumzeug – und der glücklose Reiterführer: mitten durch die Brust getroffen auch sein wackeres Streitross, vornüberfallend, linke Vorderhand gebrochen.

Der Lärm der Schlacht ist verstummt, Ächzen, Stöhnen, verröchelnde Rufe “Vive l’Empereur” … Er wird hervorgezogen, unter den Hufen seines braunen Wallachs, auf ein frisches Pferd gesetzt, der Colonel. Wie weiland der junge Napoleon Bonaparte in der Schlacht von Rivoli. Ergriffenes Schweigen in der Allianz der NATO-Kameraden. Feierlich erhebt sich der Frontsoldat, der “troupier fini”, und wird zum Monument.

“Voilà”, mit breiter Handbewegung präsentiert er das Desaster, “Voilà – La Charge des Cuirassiers a Reichshoffen …”

“Es ist eine Tatsache, daß die Franzosen in hohem Maße die notwendige Eigenschaft eines Reitersoldaten besitzen, die wir Schneid nennen und die eine ganze Reihe Mängel wieder wett macht. Andererseits geht kein Soldat der Welt so sorglos mit seinen Pferden um wie der Franzose.”

Friedrich Engels, militärische Schriften – 1855

Die feuchten Augen der Deutschen hängen bewundernd an diesem Spektakulum. Beppo Beff, Kavenzmann’s evangelischer Amtsbruder, beugt sich besorgt über den nächstbesten Blessierten. “Stehet auf”, spricht er mit Josua 7 Vers 10, “warum lieget ihr also auf eurem Angesicht?” Kavenzmann reicht die Flasche ohne weiteres dem von ihm als “Aumônier à Cheval”, dem Feldgeistlichen zu Pferd, identifizierten.

Und dann treten sie ohne lautes Kommando zusammen, treffen sich in der Saalmitte, die deutschen Leutnante und Oberleutnante der Panzer und Fallschirmjäger, um das Lied zu singen. Das Lied der französischen Fallschirmjäger. Das Lied, das die Paras in Zeralda gesungen, nach dem Putsch. Das Abschiedslied, als sie in Omnibussen abtransportiert wurden: “Non rien de rien, je ne regrette rien. Ni le bien qu’on m’a fait, ni le mal, tout ca m’est bien egal … Je me fous du passé”

Da ist der alte Griesgram, le vieux grognard, nicht mehr zu halten, er springt auf den Stuhl. “Quelle demonstration de cameraderie!” Donnernd ruft der Lieutenant-Colonel in seinem Legionsdeutsch:” Camerades! Ssu Ähränn där deütßen Offißirönn, unßrä guttän Cameraden, wir singen: Orßt Wässällied … dü Fane och’ …!”

“Die Franzosen sind hurtig und behende, sehr höflich und manierlich … Sie inclinieren nicht sehr zur Melancholie, und wenn sie betrübt sind, können sie sich die Betrübnis mit Singen und Pfeifen vertreiben. Im Kriege geben sie gute Soldaten ab, sind dabei von scharfsinnigen Verstande und guten Einfällen …”

v. Flemming, Kursächsischer Oberstleutnant anno 1726

Blankes Entsetzen bei den Deutschen. Die beiden Kommandeure erstarren. “Mon Colonel … oh mon Colonel”. Der Panzerkommandeur schnappt nach Luft, er leiste ja nur seine Truppendienstzeit ab. Danach taucht er ja wieder beim hohen Stab am Rhein unter. Jetzt sieht er sich am Ende seiner Karriere, die so verheißungsvoll begonnen hatte. “Szoulce, lassen sie sich was einfallen! Sagen sie etwas, irgendetwas!” – “Wie? Was denn?”, antwortet Szoulce mit zuckender Schulter. “Nichts wird er sagen”, knurrt Hugo Kavenzmann, “kenne das. Ganz strenger Orden. Trappist. Ohne seine Klosterregel würde er sprechen.”

Schweigen, und der Lieutenant-Colonel immer noch auf dem Stuhl, beide Arme hoch erhoben. Noch beide … Und Szoulce, unser Fallschirmjäger? Wo bleibt sein Ruf:” Ruhe im Karton! Ordnung! Sammelt euch um meine weiße Mütze!”, so wie das W. von Wurzen als Hauptmann 1941 in Korinth getan hatte. Hugo Kavenzmann winkt den Spielleuten, natürlich nur mit den Augen. Diese Art geheime Kommandos kennt sonst nur noch Hauptmann Kurz, da fallen die Kameraden reihenweise um und fangen an zu pumpen, freiwillig natürlich.

“Wammerl !!” schreit Szoulce, der Regierungsoberinspektor schnalzt dem Hornisten. “Hornist!”, schreit Szoulce, “Hornist – Signal !” – Alle Waffenbrüder nehmen schlagartig Habt Acht Stellung ein, der Lieutenant-Colonel nimmt beide Arme runter. Das Horn-Signal beendet die Vesperstunde.

“A very fine military ceremony” meint der Westpointer gefesselt. – “One of our most easy lessons” winkt Szoulce bescheiden ab.

Aus: Offizierbelehrung – Sagaschatz der Fallschirmjäger / Karl Knarre – Mönch Verlag)

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